Besinnlicher Advent?

Immer auf Achse … bis man ein Rad ab hat?

Die Welt dreht sich gefühlt immer schneller und Weihnachten steht jedes Jahr überraschender vor der Tür – so glaubt man. Woran liegt das? − mag man sich fragen. Eine Spurensuche.

Beginnt ein Schuljahr im September, so scheint das Jahresende noch in weiter Ferne. Verstreichen die Herbstferien Anfang November, hat man, so denkt manch einer, noch ewig Zeit. Und so steckt man zumeist mittendrin in Arbeit, Lernen und Leben … und plötzlich steht der Advent vor der Tür.

Während die einen noch gar nicht in der Stimmung sind, sich auf den bereits Ende November öffnenden Weihnachtsmärkten bei Glühwein oder Punsch zu vergnügen, setzt bei anderen regelrechte Torschlusspanik ein. Was wollte nicht alles noch erledigt werden?!? Jahresabschlüsse nahen, Projekte sollten fertiggestellt werden, Klassenarbeiten häufen sich, da die Lehrer die Korrekturen im Regelbetrieb fast schon nicht mehr über die Bühne bekommen und so auf die Ferien ausweichen, der ein oder andere gute Vorsatz, den man zu Beginn des Jahres fasste, harrt immer noch seiner Abarbeitung − und dann sind da auch noch die zahllosen Weihnachtsfeiern, die besucht werden wollen, sowie die Jagd nach dem perfekten Weihnachtsgeschenk für Familie und Freunde.

Der Einzelhandel beginnt bereits Ende August damit, den Konsumenten darauf hinzuweisen, dass er kaum noch Zeit hat (ganze vier Monate!), sich auf die bevorstehenden Feiertage und den Jahreswechsel vorzubereiten.

Zum einen also – wie ich finde − übertrieben frühe Konsumanreize, sowohl was Lebkuchen betrifft als auch die überall wie Pilze aus dem Boden sprießenden, teils über einen Monat gehenden Weihnachtsmärkte, für die aufgrund der Temperaturen im ausklingenden Sommer und dem darauffolgenden Herbst nicht recht Stimmung aufkommen will. Zum anderen eine nicht abstreitbare Häufung von Terminen, Verpflichtungen und zu erledigenden Aufgaben, die kaum mehr Luft zum Atmen lässt … geschweige denn Zeit zur Besinnung auf das Wesentliche.

Der moderne Mensch, ein Getriebener seiner eigenen Erwartungshaltung?

Auch Urspring − obschon geografisch hinterm Berg gelegen und somit vielleicht ein eigener Mikrokosmos − kann sich dem sich immer schneller drehenden Karussell aus Terminen, Erwartungen und Notwendigkeiten nicht entziehen. Schulisch folgt in hoher Taktzahl eine Klassenarbeit bzw. Klausur der anderen, von Tests ganz zu schweigen, und auch der Freizeitbereich fordert seinen Tribut mit Mottopartys, Winterdampffahrt, Ausflügen auf diverse Weihnachtsmärkte in Nah und Fern (Ulm, Ochsenhausen, Schelklingen, Esslingen), Adventsgottesdienst sowie Waldweihnacht als krönendem Abschluss im Kalenderjahr. Ob nun als Ausrichter oder nur als Besucher, ein Event jagt das andere.

Doch halten wir einen Moment inne …

Adventszeit − war da nicht mal was? Sollte das nicht eine Zeit der Besinnung, der inneren Einkehr und des Zur-Ruhe-Kommens sein?

Der moderne Mensch, getrieben von äußeren Zwängen als auch eigenen Erwartungen und angenommenen Verpflichtungen, hat immer seltener die Möglichkeit, den – wie ich ihn verstehe – eigentlichen Sinn der Adventszeit zu erfahren.

Schalten wir also alle einen Gang runter (mancher trete auch stärker auf die Bremse), atmen einmal tief durch, und fokussieren uns auf des Wesentliche! Das Wertvollste, das man sich selbst und seinen Mitmenschen geben kann, ist nicht materielles Konsumgut oder das gemeinsame Ankurbeln der Wirtschaft durch Saufgelage am Glühweinstand, sondern schlicht und ergreifend …

ZEIT.

Nehmt euch bewusst Zeit für Familie, Freunde und Bekannte. Macht einen gemeinsamen Spaziergang im Sonnenschein − das hält fit, sorgt für eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D in der dunklen Jahreszeit und hebt nebenbei auch noch die Stimmung. Beschränkt euch selbst − getreu dem Motto „Weniger ist mehr” − und kauft ein Geschenk weniger! Es kommt nicht auf die Menge an; es ist die Geste, die zählt. Nicht alles muss immer sofort erledigt werden. Lasst Dinge auch einfach mal liegen. Schärft eure Sinne und hört zur Abwechslung einmal wieder richtig zu; achtet auf Befindlichkeiten anderer Menschen anstatt mit Ignoranz und Egoismus Gefühle Anderer zu verletzen. Führt ein gutes Gepräch; schon ist die Welt um ein paar Missverständnisse ärmer und euer Horizont erweitert. Lasst euch nicht ständig vor anderer Leute Karren spannen und erobert euch euer Recht auf Selbstbestimmung zurück! Und lasst ab und an auch euer Herz sprechen, nicht nur den Verstand.

In diesem Sinne wünsche ich eine besinnliche Adventszeit.

Oliver Jung

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.